Die Tränen des Herkules by Wolf S. Dietrich

Die Tränen des Herkules by Wolf S. Dietrich

Autor:Wolf S. Dietrich [Dietrich, Wolf S.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kassel, Hanna Wolf, Wolf S. Dietrich, Prolibris Verlag, Die Tränen des Herkules, Kriminalroman, Krimi, Kunst
ISBN: 978-3-95475-035-1
Herausgeber: Prolibris Verlag
veröffentlicht: 2015-09-28T16:00:00+00:00


10

Zu den Akten, mit denen Hauptkommissarin Hanna Wolf den Tag begann, passten der blaue Himmel und der strahlende Sonnenschein nicht. Nach dem kalten und regnerischen Frühjahrsbeginn hatten sich mit einem sonnigen Hoch geradezu sommerliche Temperaturen eingestellt und beinahe über Nacht die Vegetation explodieren lassen.

Hanna schaute hinaus auf die Stadt und genoss den Anblick der frischen Grüntöne, zwischen denen hier und da schon helle Magnolienblüten leuchteten.

Um die Mittagszeit würden die Menschen die Straßencafés der Innenstadt bevölkern und sich bei Cappuccino oder Espresso, Eiskaffee oder Stracciatella wärmende Sonnenstrahlen in die Gesichter scheinen lassen. Der Gedanke, vor dem Alex zu sitzen und es ihnen gleichzutun, war so verlockend, dass sie sich vornahm, nach Feierabend noch einen Umweg durch die Königsstraße zu machen.

Eine der Akten auf ihrem Schreibtisch enthielt Frankensteins Obduktionsbericht von der Friedhofsleiche. Der Mann war an einer seltenen Form des Genickbruchs gestorben. Wegen einer früheren, schlecht verheilten Verletzung eines Halswirbels, hatte es nur eines einfachen Schlages – oder der Strangulation bei der Erhängung – bedurft, um den Bruch herbeizuführen. Leider hatte sich die tatsächliche Ursache noch nicht mit letzter Sicherheit feststellen lassen. Tod durch Erhängen war vorerst ebenso wenig auszuschließen wie Fremdeinwirkung durch einen Schlag und nachträgliches Aufhängen der Leiche im Baum.

Die zweite Akte enthielt schon wieder den Fall eines Drogentoten. Ein junger Mann war tot in seiner Wohnung in der Kasseler Innenstadt aufgefunden worden. Nach den Feststellungen der Kollegen und des Arztes gab es keinen Hinweis auf Fremdverschulden. Das Opfer war an einer Überdosis Heroin gestorben. Man hatte neben ihm eine Spritze und in der Wohnung Utensilien zur Herstellung der Injektionslösung sowie einige Bleche gefunden. Diese Alufolien mit verbrannten Heroinresten ließen auf Konsum durch Inhalation schließen. Obwohl sich nur eine einzige Einstichstelle fand, deutete alles auf regelmäßigen Gebrauch des Rauschgiftes hin. Außerdem hatten die Drogenfahnder in einer Tasche des Toten den Schlüssel zu einem Schließfach gefunden. Das Fach war zwar leer gewesen, aber es waren dort Heroin-Anhaftungen entdeckt worden. Offenbar das Depot des Junkies.

Sein erster Schuss war zugleich sein letzter. Wahrscheinlich eine Überdosis. Also Fixerpech. Allenfalls Selbstmord. Wenn die Obduktion nichts anderes ergibt, kein Fall für uns.

Hanna legte die Akte zur Seite.

Ein undeutliches Signal aus ihrem Unterbewusstsein veranlasste sie, den Hefter doch noch einmal zur Hand zu nehmen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Erneut überflog sie den Bericht. Was immer den Hinweis ausgelöst haben mochte – es erschloss sich ihr nicht.

Bevor sie den dritten Aktenordner öffnen konnte, wurde sie abgelenkt. Es klopfte an ihrer Bürotür. Auf eine Art, die sie nicht einordnen konnte, obwohl sie ihr bekannt vorkam. Weder Isabella noch Stöber klopften so verhalten, erst recht nicht Kriminaloberrat Wenzel. Gespannt wandte Hanna den Kopf. „Herein!“

Vorsichtig schob sich ein schlanker, grau melierter Mittfünfziger im Maßanzug durch die Tür. Hanna erhob sich. „Carl! Was für eine Überraschung!“

Friedrich Carl von Bredow schloss die Tür hinter sich und breitete die Arme aus. Hanna war weit davon entfernt, sich von ihrem Ex-Liebhaber umarmen zu lassen und streckte ihre Hand aus, die von Bredow mit beiden Händen ergriff.

„Ich komme gerade von einer Sitzung mit dem PP und den Direktionsleitern.



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